Eine Erklärung: Mein Austritt aus der Piratenpartei

 Tldr: Ich trete aus der Piratenpartei aus.
 
Diese Entscheidung ist schon vor Monaten gefallen. Eigentlich schon im Herbst letzten Jahres nach dem Bayerischen Landesparteitag in Regensburg. Kurzzeitig keimte bei mir nochmal Hoffnung auf, dass sich etwas ändert, aber ich muss mir eingestehen:  Die gemeinsame Zeit ist vorbei.
Ich habe den Austritt auch immer vor mich hergeschoben, da ich nicht wortlos gehen wollte. Denn ich bin der Überzeugung, dass  die Menschen, die mich gewählt, in meiner politischen Arbeit unterstützt und mit denen ich für Themen gestritten habe, eine Erklärung verdient haben.
 
Eine Partei, die ihre linkes Profil zerstört, ja, seine Existenz leugnet, kann nicht meine Partei sein. Ich kann kein Mitglied in ihr sein, keine Werbung für sie machen und sie erst recht nicht wählen. Als sich der Großteil der Menschen in der Piratenpartei gegen einen  auch Linke umfassenden und damit ausgeglichenen Vorstand entschieden, haben sie sich auch gegen mich entschieden. Das ist ok, aber dann muss ich auch die Konsequenzen daraus ziehen.
So viele schöne Erinnerungen ich gesammelt habe, so viel Hass musste ich die letzten Jahre mitbekommen. Der Fehler hat seine  Basis im System, wie die Piratenpartei aufgebaut ist.  Dieses System gibt Menschen, denen soziale Intelligenz und Anstand fehlt, ungeheure Bedeutung und informelle Macht. Der Fehler lag auch darin, dass viele alles akzeptierten: Aus Bequemlichkeit, aus Zustimmung oder auch weil es gerade einfach in ihre Pläne passte. Das ist alles andere als ok und ich habe lange daraus keine Konsequenzen gezogen.
Warum? Weil ich jung, naiv und voller Hoffnung war. Im Grunde bin ich das immer noch, aber ich bin nicht dumm und auch nicht rückgratlos. Die Piratenpartei ist aus meiner Sicht kaputt und kann nicht repariert werden, so dass ich keine Zukunft für mich in ihr sehe.  Sie kümmert sich um Themen, die mir zwar wichtig sind, aber auf keinen Fall auf meiner Prioritätenliste oben stehen. Ihre Köpfe sind Menschen, die ich aber niemals in irgendein Parlament wählen würde. Jede Unterstützung der Piraten wäre eine Unterstützung dieser Menschen. Das kann und will ich nicht!
Es ist nicht leicht, diesen Schritt zu gehen. Viele, die es auch getan haben, wissen wahrscheinlich, was ich meine. Ich wurde durch die Piratenpartei wirklich politisiert, sie hat mir eine Richtung im Leben gegeben und mich stark geprägt. Ich war 18 Jahre alt, als ich 2009 eintrat und werde 25 in dem Jahr meines Austritts. Das sind prägende Jahre in jedem Leben und ein Großteil meiner Jugend wird immer mit der Piratenpartei verbunden sein. Irgendwie war das keine bewusste Entscheidung aber so war es halt und es war auch gut. Ich mag mein Leben so wie es ist.
Deswegen will ich gerne Danke sagen.
Danke an die tollen Menschen, die ich kennen lernen durfte. Danke für die vielen Freundschaften, die ich schließen durfte, für die Erlebnisse und Erkenntnisse, die mir in dieser Zeit vermittelt wurden. Danke für die Unterstützung tausender Menschen, darunter viele, die ich niemals kennen gelernt habe, die mir aber trotzdem ihr Vertrauen geschenkt haben. 
Auch ein besonderer Dank an die Menschen, die ich meine Freunde nenne und die es auch wirklich sind und die trotzdem immer noch Teil der Piratenpartei sind. Viele davon sind aus meiner Sicht zwar auch Schuld daran, dass ich keine politische Heimat mehr hier habe aber das ist OK so. Ihr werdet euren politischen Weg gehen, aber es wird nicht meiner sein.
Ich gehe nicht mit Hass und ich gehe auch nicht in Trauer. Ein wenig Enttäuschung: Ja,  aber im Großen und Ganzen nur ein wenig Wehmut. Ich bin immer noch der Überzeugung, dass eine Partei, wie die sie Piratenpartei hätte sein können, möglich und nötig ist. Auch, dass so eine Partei Erfolg haben kann. Linksliberal, undogmatisch und progressiv. Eine Partei junger (und jung gebliebener) Menschen, die Zukunfts- und Technikoptimistisch ist, aber trotzdem die gesellschaftliche Ungleichheit nicht vergisst. Die für die Emanzipation aller unterdrückten Menschen auf allen Ebenen kämpft und das Konzept von Nationalstaaten hinter sich lässt. Die mutig die Herrschenden vor sich hertreibt und sich trotzdem nicht scheut, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungspositionen anzunehmen. 
So eine Partei existiert für mich in Deutschland leider nicht . Es ist weder die Piratenpartei noch die Linke. Am nächsten kommen für mich die Grünen, besonders die Grüne Jugend, aber es gibt noch zu viel, was mich abschreckt. Es gibt nun die Aussagen: Gehe in Partei X und unterstütze den Flügel, der so eine Politik anstrebt. Aber ich habe so lange versucht, eine Partei von innen zu verändern. Dafür ist meine Zeit zu schade und die Gesellschaft zu verändern kostet schon genug Kraft.
Ich weiß nicht, wohin mich mein politischer Weg noch führen wird, aber ich habe noch genug Motivation und Kraft es nochmal mit einer Partei zu versuchen. Ich habe immer noch Lust auf Politik. Ich hoffe ihr auch.
PS: Meine Mitgliedschaften in der Progressiven Plattform, bei Peira und bei den jungen Piraten bleibt bestehen.
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5 Antworten zu Eine Erklärung: Mein Austritt aus der Piratenpartei

  1. forenwanderer schreibt:

    So eine Partei existiert für mich in Deutschland leider nicht

    Mir erging es ähnlich wie dir. Ich hatte auch wichtige Ämter begleitet und lange Zeit die Ideologie der Piratenpartei wahren können. Als dann nach dem ersten Erfolg in Berlin der Aufschwung kam und wir im Saarland plötzlich wegen der Landtagswahl im Fokus standen, schafften wir zwar den Erfolg mit dem Einzug in den Landtag, aber der Preis war hoch. Ich nenne es schlicht Unterwanderung. Ich war nicht in der Lage, diesen Prozess noch zu stoppen und war dann 2013 quasi zu eben dieser Konsequenz gezwungen. Inzwischen habe ich aus den Fehlern gelernt und versuche aktuell mit einigen tollen Leuten einen politischen Neubeginn: http://soznet.org

  2. Nuja, die Piratenpartei war eigendlich von Anfang an eine Sozialliberale Partei, gegründet von ITlern, viele Selbständig, Kleinunternehmer oder Gründer von Startups. Also kleine bis teils mittelständische Kapitalisten wenn man so will.

    Beim Sozialliberalismus gibts ja durchaus Überschneidungen zu Linkem Denken, nur Identisch ist es eben nicht. Das Problem so wie ich es sehe war das auf beiden Seiten, den Sozialliberalen also auch Linken Flügel ab einem gewissen Zeitpunkt keine Kompromissfähigekt mehr gab. Der Linke Flügel wollte die Macht übernehmen und sich programmatisch vollständig durchsetzen, dann kamen so Sachen wie Bomber Harris, Antifa Fahnen statt auf Kompromisse wurde auf Konfrontation gesetzt.

    Die Folge ist nun das es dem Sozialliberalen Flügel der Anfangs dem Eintritt der Linken gegenüber durchaus offen war irgendwannmal zu doof wurde sich so vorführen und erniedrigen zu lassen. Die Folge waren dann eben der Bruch bzw die Abstimmungsergebnisse der letzten Parteitage.

    Parteiarbeit geht eben nur mit einer gewissen Sachlichkeit und fähigkeit zum Kompromiss, das hat in der Piratenpartei immer gefehlt. Statt nach Gemeinsamkeiten zu suchen haben die Leute immer nach ideologischen Differenzen gesucht und sich dann darüber zerstritten. Das mag auch an der Nerdkultur liegen die traditionell extrem Streitsüchtig ist.

    Insofern, auch ich denke diese Partei ist nicht mehr zu retten. Wählbare Alternativen sehe ich aber derzeit auch nicht.

  3. Bernd schreibt:

    Immer wieder die gleichen Begründungen für Austritte, die man zusammenfassen kann mit:
    „Meine Gruppe (linke/progressive) wurde in eine Minderheitenposition gedrängt und aus den Organen der Partei verdrängt, deshalb trete ich aus“.

    Tja, dazu gehören zunächst immer 2: der der verdrängt, und der der sich verdrängen lässt.

    Die Krux an der Sache war, dass die Links-Progressiven die Partei einerseits nach vorne gebracht haben, aber andererseits sich in ideologisch verbohrten Kleinkriegen vom Typ „Gendersternchen“, „unbedinge Antifa/alle anderen sind Nazis“ u.v.a.m. verzettelt haben, und die Piraten generell nicht erkannt haben, dass man die Energie für die politische Auseinandersetzung besser nicht in die eigene Partei mit zerstörerischer Wucht lenkt, sondern kreativ nach aussen trägt, wo der wahre politischen Gegner in Form der Etablierten/Altparteien steht.

    Korrekt ist, dass man es versäumt hat, innerhalb der Partei den Ausgleich und die Integration der verschiedenen Strömungen zu institutionalisieren. Klassisch arbeitet man in Fällen, in denen 2 bedeutende Flügel verschiedene grundsätzliche Richtungen repräsentieren mit einer Doppelspitze und einem gut gemischten Vorstand. Natürlich funktioniert das nur, wenn man Egotripreisende und ideologisch Totalverbohrte aus Vorständen fern hält, was den Piraten mit einigen Ausnahmen bis 2013 auch gelungen ist. Oder man hat im Repertoire eine integrationsfähige Person, die mit beiden Gruppen ‚kann‘. Die Piraten haben einige wenige solche Persönlichkeiten, Herr Dudda z.B. oder Frau Weisband.

    Stattdessen ausschließlich Mitglieder eines Flügels nach oben zu wählen, und an die Spitze einen politikunfähigen Technokraten zu setzen der vor allem Sprechblasen und Worthülsen absondert, mag frustrierend sein, aber doch kein Grund für diese Massenaustritte. Viel mehr wäre es dann an der Zeit, dass der andere Flügel (der sich selbst „progressiv“ nennt) seine Kräfte bündelt, für die nächsten Vorstandswahlen. Stattdessen driftete man in eine intransparente sektenartig organisierte „closed group’, die ganz überwiegend nichtöffentlich agiert ab, und überläßt die Piratenpartei so sich selbst bzw. dem einen, bürgerlich-liberalen Flügel der eine „bessere FDP 2.0“ anstrebt.

    Fast alle der politikunfähigen, sprechblasenschwingenden Verwaltungsvorstände wurden wiedergewählt.

    Damit steht die Partei zuverlässig weit unter die 5%-Hürde, so dass sich die Frage „Piraten wählen“ nicht mehr stellt, da man (Ausnahme eventuell Berlin) zuverlässig zwischen 1 und 2% holt und damit, ausgenommen im Europäischen Parlament und in manchem Kommunalparlament „raus“ ist auf Dauer – und damit genauso irrelevant im politischen Alltag der Bundesrepublik ist wie die ödp, die MLPD oder die Tierschutzpartei.

    Historisch war es leider schon immer so, dass linke Politaktivisten dazu neigten, sich in -zig Kleinstgruppen zu zersplittern und es ihnen schwerfällt, mit davon auch nur mittelmäßig gering abweichenden Menschen zusammenzuarbeiten.
    Da machen linke Piraten ganz offenbar keine Ausnahme, was klug und schön gewesen wäre, sondern bestätigen die Regel.

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