Eine Europameisterschaft, die Euphorie und der Rassismus

Zur EM mache ich mir in der letzten Zeit doch einige Gedanken.
Wie ihr wisst bin ich eigentlich ein großer Fußballfan.
Nicht weil ich das selbst entschieden habe, sondern weil ich in eine Fußballkultur hineingeboren wurde. Deswegen fiebere ich seit 2002 auch bei jedem großen Turnier mit. Ganz unreflektiert. Wie ein kleines dummes Kind.

Mit der Euphorie von 2006 sogar in den Farben Schwarz, Rot und Gold. Fahnenschwingend die Nationalhymmne trällern, gar nicht merken was um mich herum passierte UND was mit mir passierte.

Und ich weiß im Moment immer noch nicht ob ich die Kurve überhaupt bekommen habe. Es fühlt sich nämlich nicht falsch an für ein Land zu jubeln. Es fühlt sich eigentlich richtig gut an mit tausenden Freunden „Deutschland“ zu schreien und stolz auf seine Nation zu sein.

„Es fühlt sich gut an Stolz auf seine Nation zu sein.“ Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Stolz und Nation in Kombination haben die Menschheit nicht nur einmal in Zerstörung und Leiden gestürzt.

„Aber das ist doch nur Sport“ sagen alle und auch in meinem Kopf kommt dieser Spruch bei all den Bedenken immer wieder hoch. Ja das Spiel ist Sport, ABER was darum passiert hat nicht nur nichts mehr mit Sport zu tun, sondern ist auch gefährlich.

Wer mir nicht glaubt, der geht mal zu einem dieser Public Viewing Dinger oder in die nächste Fußballkneipe. Lass dann mal die Gegner ein Tor schießen und ich sage euch es kommt ziemlich schnell ein „Scheiß Griechen“ (AmdR: Originalzitat des gestrigen Spiels) oder ähnliches.

Ahh, also doch kein Sport, sondern auf ganze Nationen wird geschimpft. Und ein „gyrosfressende, auf unseren Taschen liegende Schmarotzer“ noch hinter her und wir sind mitten drin im Alltagsrassismus.

Aber auch das gesteigerte Nationalbewusstsein ist nicht so cool wie viele denken. Mir ist heute nicht nur einer über den Weg gelaufen der meinte, dass die Deutschen das beste Volk der Welt sind. Dieses Gedankengut wird normalerweise nur von den Vollhonks der NPD (und anderen Partikel des braunen Scheißhaufen) in der Öffentlichkeit vertreten, aber WM und EM machen es möglich: Nun hört man es wieder von Studenten, Hausfrauen und Kindern.

Ich möchte euch nicht den Spaß an diesem Fußballfest verderben. Viele Spiele und Verbände kämpfen aktiv gegen Rassismus und auch die Nationalmannschaft hat mit ihren Spielern unterschiedlichste Wurzeln und auch die Akzeptanz Deutscher Mitbürger mit Migrationshintergrund gesteigert. Ich möchte nur, dass ihr das Treiben hinter dieser Euphorie kritisch hinterfragt, Altagsrassismus im Keim bekämpft und den Nazis keine ungewollte Rückendeckung gibt.

Ich für meine Seite werde Fan der Deutschen Nationalmannschaft bleiben und ihr den EM Titel wünschen. Weil sie guten Fußball spielt und selbst mit Rassismus nichts am Hut hat. UND definitiv nicht weil die Deutsche „Herrenrasse“ die beste ist und deswegen gewinnen muss.

Aber mit einer schwarz, rot und goldener Fahne werdet ihr mich nicht sehen und auch die Nationalhymne werde ich nicht von mir geben. Obwohl es manchmal schwer fällt.

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9 Antworten zu Eine Europameisterschaft, die Euphorie und der Rassismus

  1. Haide schreibt:

    Das ist der Grund, warum ich mich bei kollektiver Freude nicht wirklich freuen kann. – Erinnerst Du Dich noch an die Umarmungen beim Landesparteitag als die Saarländer in den Landtag gezogen sind? Ist für mich das gleiche, egal was für eine Gruppe, das betrifft, die größer ist.

  2. zwitschi schreibt:

    Und in der Schweiz hört man dann in der S-Bahn unfreiwillig mit, wie eine Dame am Telefon ihrem Gesprächspartner unmissverständlich und auf Niederländisch mitteilt, was sie von dem „Sch*** Deutschen mit seinem Deutschland-T-Shirt“ hält…

  3. schotenzaehler schreibt:

    Ein guter Artikel, der erstens deinen Zwiespalt gut beschreibt und zweitens zum Nachdenken anregt.
    Denken ist leider etwas, das oft viel zu kurz kommt – gerade in Situationen, die sich „eigentlich richtig gut“ anfühlen. Und das wird dann häufig von den falschen Leuten ausgenutzt.

  4. weiterdenken schreibt:

    Also ich hab mir das Spiel auch angeschaut – zusammen mir vielen Nationen beim Public Viewing – OK der Jubel beim griechischen Tor war jetzt nicht der größte – aber es wurde niemand als „scheisse“ beschimpft. Es wurde anschließend zusammen mit Griechen gefeiert und getröstet. Vielleicht suchst du auch nur die falschen Gaststätten auf… Aber nur weil eine Gruppe von exklusiven Nationalisten diese Schwarz-Rot-Goldene Stimmung ausnützen könnten auf gemeinsames feiern zu verzichten ? – Die Farben symbolisieren für die meisten eigentlich nur die Nationalmannschaft so wie dein Bayern München Trikot nicht Bayern sondern Bayern München symbolisiert – um auf das Land und ihre Regierung Stolz zu sein – da fehlt es an zu vielen stellen – vorallem an der Regierung – ich denke deshalb trägt keiner die Nationalfraben – sondern weil er Stolz ist auf die Nation – nalmannschaft.

  5. Alex Ferstl schreibt:

    Ich hab gestern mit Griechen zusammen das Spiel angesehen – jedes Tor wurde bejubelt – und jede Chance gemeinsam betrauert – egal von wem – Niemand hat den anderen beschimpft ausser vielleicht die Spieler die zu oft am Boden lagen… Natürlich gibt es überall diese Idioten und ihr braunes Gedankengut – das fängt aber nicht beim Fussball an – und hört dort auch nicht auf – Es gibt diese Idioten auch auf Festivals – auf Konzerten – im Theater – in der Oper – überall – das ist das Problem. Fussbal macht es nur leichter ersichtlich – Aber weil diese Idioten mit einem Trikot in Deutschlandfarben gröhlen – soll ich keines mehr tragen (dürfen)? Trägst du ein Bayern München Trikot, und das obwohl es hier auch dieselben Idioten gibt? Singst du das Bayern München Lied obwohl der einen Block neben dir mit dir singt ein Nazi ist? Wahrscheinlich… Also nicht sich von diesen Idioten etwas nehmen lassen wenn es einem Spass macht sondern auf breiter Front gegen Sie antreten und ihnen sagen das sie nicht erwünscht sind – und das egal ob fussball – oper – konzert

    Also hört endlich mit dem Scheiss auf euch Grüppchen zu suchen – Rassismus ist ein Gesellschaftliches Problem und kein Grüppchenproblem – auch wenn die Medien diese Grüppchen puschen oder es wie beim Fussball unterlassen – nur weil ihr keine Fähnchen mehr tragt wird der Rassismus nicht verschwinden und andersrum!

  6. belze1981 schreibt:

    Und dann noch als Gedanke – wenn du dir dann trotzdem mit diesen in deinen Augen „Fastfaschisten“ Fussball bei diesen Public NPD Parteitagen Fussball anschaust ist es ja im Prinzip egal ob du mitsingst oder eine Fahne hast – du unterstützt diese Art des Feierns .
    Also bitte von solchen veranstaltungen fern bleiben – wenn du es wirklich ernst meinst!!!

  7. Fleischi schreibt:

    Hm Jan, ich denke das darf man nicht so ernst sehen. Natürlich ist Rassismus etwas das man unterbinden sollte, bzw was meiner Meinung nach komplett aussterben sollte. Aber wie du ja vermutlich weißt bin ich zweier Nationen angehörig. Deutschland und Italien. Ich bin bis jetzt immer für die deutsche Mannschaft gewesen. Ganz einfach weil ich hier geboren bin, mich hier beheimatet fühle und ich auch finde das Deutschland den schöneren und besseren Fußball gespielt hat, schade das es nix geworden ist. Worauf ich aber hinaus will/wollte. Ich war im Halbfinalspiel Deutschland/Italien bei meiner italienischen Verwandtschaft, weil da Geburtstag gefeiert wurde. Also saß ich da. Der einzige mit einem weißen Trikot unter 47 blauen. Und was denkst du musste ich da hören ? Die meisten Personen, waren mit mir verwandt oder sehr gute Bekannte. Ich wurde als Arschloch, Depp und sonstiges bezeichnet. Mir wurde sogar gesagt ich würde nicht mehr zu Familie gehören, was in Italien als schlimme Beleidigung gilt und das von meiner eigenen Verwandtschaft und das alles nur wegen Fußball. Aber das ist nur das Fußballfieber. Geheuchelter Stolz für ein Land. Etwas was man nicht ernst nehmen sollte. Soll ich jetzt meiner Familie beleidigt sein, weil sie sich unter Alkoholeinfluss und Euphorie zu einem Kommentar hinreißen ließen den sie nicht so gemeint haben und wofür sich danach auch entschuldigt haben.

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